Von moreno | Donnerstag, 01.05.2014 um 16:20 | Thema:
International
Gestern, am 30.4. und Vortag des 1. Mai
besetzten in einer gemeinsamen Aktion unterschiedlichste Gruppen
400 Arbeitsämter in Spanien. Unter dem Motto #ocupatuinem (besetze dein arbeitsamt) fanden sich Gruppen wie die
PAH oder iaioflautas, aber auch
anarchistische und kommunistische Organisationen, vor und in "ihren" Arbeitsämtern ein und besetzten diese.
Sie führten Transparente wie
"Lo queremos todo", 'Wir wollen alles', oder
"pan, trabajo digno, techo y dignidad", 'Brot, würdige Arbeit, Unterkunft und Würde' mit sich.
Angeregt durch die
Platzbesetzungen in Tunís, Kairo und Athen hatten sich am
15. Mai 2011, erst in Madrid, später in ganz Spanien, Tausende von Menschen auf den Plätzen der Städte versammelt und sich auch nicht von brutalen Polizeieinsätzen vertreiben lassen.
Die Vereinzelung, die durch die Krise und die finanziellen eingeschränkten Möglichkeiten verstärkt wurde, wurde in
kollektiven Versammlungen und praktischen Projekten überwunden.
In der konkreten Aktion entstand eine Neuzusammensetzung von Aktivist_innen in einer lange nicht erlebten Breite und Masse.
Auf den Plätzen bildeten sich
Kommisionen, in denen die Menschen in Arbeitsgruppen sich in Themen einarbeiteten oder konkrete Lösungen überlegten und praktisch angingen.
Die
asambleas, die Versammlungen, verlagerten und multiplizierten sich im Laufe des Jahres von den großen zentralen Plätzen auf die kleineren in den Stadtteilen. Dies ermöglichte Nachbar_innen mit weniger freiverfügbarer Zeit oder Geld die Teilnahme an diesem kollektiven Prozess. Ausserdem konnte so gerade für Flüchtlinge ein besserer (Selbst-) Schutz gegen Übergriffe der Polizei oder Nazis, die im Umfeld der Versammlungen rassistische Kontrollen oder Angriffe durchführten, organisiert werden.
Die Versammlungen wurden kleiner, aber die lokalen Kommisionen verstärkten ihre konkrete Arbeit. Kommisionen zur Wohnungfrage flossen in die lokalen pah-Gruppen ein, Kommisionen zum Gesundheitssystem unterstützten Aktionen von Beschäftigten in Krankenhäusern die privatisiert werden sollen. Diese Themen-basierten Kommisionen begannen nun erneut eine überregionale Koodination. So entstanden in den vergangen Monaten die
mareas, die (Menschen-) "Massen", die sich jeweils spezifische Erkennungsfarben gaben (Erziehung: grün, Gesundheit: weiss, ...). Es wurden nationale Aktionstage der einzelenen mareas, wie Wohnung oder Bildung, organisiert, an der sich oft die anderen marea-Gruppen aktiv beteiligten.
Am vergangenen
22. März organisierten alle mareas gemeinsam den Marsch der Würde, der sie alle in Madrid zusammen führen sollte. Weit über eine Millionen Menschen machten sich auf den Weg. Die spanische Polizei stoppte viele ihre Busse auf dem Weg zu ihren Zielorten.
Trotzdem gingen die mareas gestärkt aus dieser Aktion hervor und mobilisierten nun zum
gestrigen 30. April. Unter dem Motto, 'si no nos ocupan, lo ocupamos', sinngemaess, 'wenn sie uns keinen Job, kein Einkommen geben (dich keine Stelle besetzen lassen), besetzen wir sie'.
Bereits den ganzen Vormittag überschlugen sich die Informationen in den sozialen Informationsnetzwerken wie Twitter unter dem hashtag
#ocupatuinem oder einfach #inem.
Es wurden Bilder mit besetzten Arbeitsämtern und Transparenten gepostet. Manchmal war es auch die Polizei selbst, die die Ämter lahmlegte, weil sie einfach niemanden mehr für unverdächtig hielt und folglich niemanden raus, geschweige denn rein liess.
Die mareas selbst sehen den gestrigen Tag als grossen Erfolg. Erneut ist es ihnen gelungen kollektiv in den öffentlichen Raum zu intervenieren und ihren Widerstand sichtbar zu machen.
Auch die selbstbestimmte Praxis der unterschiedlichsten teilnehmenden Gruppen, Organisationen und Kollektiven ermöglicht weitere praktische Optionen des gemeinsamen Widerstands. Bei aller spezifischen Arbeit und Praxis zu einem konkreten Thema, wird auf diese Weise vermieden, die Fehler der Ein-Punkt-Bewegungen zu wiederholen.