06
Juli
Wir dokumentieren die Pressemitteilung zur Situation der Romafamilien der Gerhart-Hauptmann-Schule vom Juli 4, 2014 und unterstützen ihre Forderungen!

„Wir fühlen uns hier wie im Gefängnis.“
„Wir sind hier mitten im Wald.“
„Wir fühlen uns absolut isoliert und verloren.“
„Wie sollen unsere Kinder von hier aus in ihre Schulen in Kreuzberg
kommen?“

Statements der Romafamilien nachdem sie am 24.6.2014, dem Tag des Polizeieinsatzes zur „freiwilligen Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule“, per Bus in ein Erstaufnahmelager für
Asylbewerber in Hohengatow gebracht wurden. Ihre anfängliche Hoffnung auf eine Unterkunft wandelte sich innerhalb von Stunden in Verzweiflung über ihre isolierte Situation in Hohengatow.

Die Romafamilien waren am Morgen des besagten Tages, ebenso wie alle anderen Bewohner_innen der Gerhart-Hauptmann-Schule, davon überrascht worden, dass ab zirka 10:00 Uhrdie Zugänge zum Gebäude von der Polizei weiträumig abgesperrt wurden. Im Vorfeld der drohenden Räumung hatten die Familien keinerlei Informationen über die sie betreffenden Pläne des Bezirksamts erhalten. Mehrere Kinder befanden sich zu diesem Zeitpunkt in ihren jeweiligen Kreuzberger Schulen. Bei ihrer Rückkehr wurden sie mit Hilfe ihrer Lehrer_innen erst nach mehreren Stunden durch die Polizeiabsperrungen zu ihren Eltern gelassen.

Nach eigenen Angaben wurden die Familien aufgefordert, das Gebäude zu verlassen und sich mit wenig Gepäck zu den für sie bereitgestellten Bussen zu begeben. Die Busse fuhren los, ohne dass ihnen mitgeteilt wurde, wohin sie gebracht werden sollten. Mitarbeiter_innen des
Bezirksamtes sagten ihnen nur, es handele sich um eine kurzfristige Unterkunft. Ihr Hab und Gut, das sie nicht tragen konnten, mussten sie in ihrer Etage in der Schule bzw. auf der Straße zurücklassen. Einige Personen wurden daran gehindert, in die Busse einzusteigen, da sie sich
nicht „auf der Liste“ des Bezirksamtes befänden. Andere, die „auf der Liste“ waren, sich aber zumZeitpunkt der Räumung zufälligerweise nicht in der Schule aufhielten, leben weiterhin im Görlitzer Park. Die Familien wurden also, anders als vom Bezirksamt der Presse gegenüber
dargestellt, nicht „in der Nähe der Schule“, sondern am äußersten Rand von Berlin in ein Erstaufnahmelager für Asylbewerber in Hohengatow untergebracht. Es handelt sich bei diesem genau um die Art von „Lager“, gegen die sich der Protest der Geflüchteten am Oranienplatz und in der Gerhart-Hauptmann-Schule richtet.

Die Fahrt nach Kreuzberg dauert von dort mehr als eine Stunde. In den ersten Tagen wurde es den Familien von der Heimleitung der AWO untersagt, auf dem Gelände Besuch zu empfangen.

Da die Romafamilien im Gegensatz zu Asylbewerber_innen nicht unter das ohnehin umstrittene Asylbewerberleistungsgesetz fallen, bekommen sie kein Geld, sondern ausschließlich Verpflegung. Eine bedarfsgerechte Ernährung für beispielsweise Diabetiker oder Schwangere ist nicht gewährleistet. Ebenso ist es ihnen unmöglich, sich aus eigenen Mitteln BVG-Tickets zu kaufen. Rahmenbedingungen für Ämter- und Behördengänge (Übersetzer_innen, Anwält_innen, Beratung sowie finanzielle Mittel) fehlen ebenso. Daher können sie nicht mehr eigenständig und
selbstbestimmt für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Nach wie vor erhalten die Familien von der Heimleitung und vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg keinerlei Auskunft darüber, was weiter mit ihnen passieren soll. Festzuhalten ist ferner, dass der Bezirk sie zwar noch nicht in die Obdachlosigkeit gezwungen hat, sie stattdessen jedoch in einem Erstaufnahmelager für Asylbewerber untergebracht hat, das für
sie als EU-Bürger_innen nicht zuständig ist. Die Unterbringung in einem Lager widerspricht zudem dem Programm der Grünen Partei sowie der Linkspartei.

Unter diesen Umständen besteht für die Romafamilien trotz des Erhalts der formalen Freizügigkeit faktisch keine Möglichkeit, diese wahrzunehmen,sich also aus den Abhängigkeitsverhältnissen zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Situation der Familien aus der GHS ist nur der Kristallisationspunkt einer problematischen Situation in Berlin. Die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt und die Diskriminierung von Zuwandererfamilien führt dazu, dass viele Familien in Autos, Gartenlauben, verlassenen Häusern oder Parks übernachten müssen. Es gibt generell viel zu wenige
und überhaupt keine familiengerechten Notübernachtungen.

Unterbringungsmöglichkeiten bestehen in den meisten Bezirken erst, wenn die Familien Sozialleistungen beziehen. Wie sich die Obdachlosigkeit auf die Gesundheit der Betroffenen und das Wohl der betroffenen Kinder auswirkt, wird dabei völlig außer Acht gelassen.

Wir solidarisieren uns mit den Forderungen der Geflüchteten in der Gerhart-Hauptmann-Schule und fordern vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und den Landesbehörden, den Familien eine menschenwürdige, selbstbestimmte Wohnsituation zu ermöglichen. Dies bedeutet, eine
Rückkehr der Familien in ihr gewohntes soziales Umfeld zu garantieren.
Gleichzeitig fordern wir, dass die Wohnungslosigkeit von Familien als sozialpolitisches Problem anerkannt und generelle Lösungen zum Wohle der betroffenen Familien gefunden werden!

Schluss mit Rassismus, Antiziganismus und Diskriminierung von Sinti undRoma!

Die Romafamilien und einige Unterstützer_innen
Pressekontakt: roma-unterstuetzung@web.de

 
 
Über Café Reiche
Café Reiche ist ein loser Zusammenhang von Bewohner_innen aus dem Kiez rund um die Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg. Seit Oktober 2010 wird sich regelmäßig getroffen, ausgetauscht und gemeinsam an Projekten gearbeitet.

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